Werthaltungen beeinflussen das Autofahren

Werthaltungen können als persönliche Überzeugungen darüber verstanden werden, was einem Mensch im Leben wichtig ist. Wie wichtig ist es, etwas zu leisten? Welche Bedeutung hat Macht für eine Person? Wie wichtig sind Sicherheit und Tradition? Wie wichtig ist es, Spaß im Leben zu haben? In zwei Studien hat die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) einen Zusammenhang zwischen solchen Werten und der Gefährdung als Autofahrer im Straßenverkehr herausgefunden.

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"Leistung ist mir wichtig!"

Menschen sind mit einer relativ geringen Anzahl persönlicher Wertorientierungen ausgestattet. Der Psychologe Shalom Schwartz [1] zum Beispiel entwickelte ein Wertesystem mit zehn Werte-Typen. In Befragungen wird erfasst, wie wichtig Selbstbestimmung, Stimulation, Hedonismus, Leistung, Macht, Sicherheit, Konformität, Tradition, Prosozialität (Erhaltung und Erweiterung des Wohlergehens von Personen mit denen man regelmäßig persönlichen Kontakt hat) und Universalismus (Verständnis, Anerkennung, Toleranz und Schutz für das Wohlergehen aller Menschen und für die Natur) sind. Diese zehn Werte-Typen wiederum lassen sich zu vier Faktoren zusammenfassen:

  • Selbstüberwindung (Prosozialität und Universalismus)
  • Selbststärkung (Leistung und Macht)
  • Offenheit für Wandel (Selbstbestimmung, Stimulation und Hedonismus)
  • Bewahrung des Bestehenden (Sicherheit, Konformität und Tradition)

In den beiden o.g. BASt-Studien sind diese Werte-Typen Bestandteile einer Lebensstildefinition [2, 3]. Innerhalb der Gruppe der jungen Fahrerinnen und Fahrer sind für den Autozentrierten Typ die Werte "Leistung" und "Macht" am wichtigsten. Bei den ab 55-Jährigen trifft dies in noch stärkerem Maße für den Anregungen suchenden Typ zu (Grafik 1). Für beide Lebensstiltypen besteht ein erhöhtes Unfallrisiko.

Grafik 1: Die Ausprägung des Werte-Faktors "Selbststärkung" (Leistung und Macht) bei Jüngeren und Älteren.

In einer Sonderauswertung wurde geprüft, welchen Einfluss die o.g. vier Werte-Faktoren auf das berichtetet Geschwindigkeitsverhalten von jüngeren und älteren Autofahrern ausüben. Pfadanalysen (Grafik 2 und 3) ergaben für Jüngere und Ältere folgende Zusammenhänge:

Ein auf höhere Geschwindigkeiten ausgeprägter Fahrstil ist umso ausgeprägter,

  • je stärker die emotionale Bindung an das Auto ist,
  • je stärker die Wertetypen „Offenheit für Wandel“ und „Selbststärkung“ ausgeprägt   sind und
  • je geringer die „Selbstüberwindung“ und das „Bewahren des Bestehenden“ ausgeprägt sind.

Menschen, für die das Erbringen von Leistung und Erstreben von Macht eine wichtige Rolle im Leben spielt, neigen nach eigenen Angaben dazu, höhere Geschwindigkeiten zu fahren als Menschen, bei denen diese Werte nicht so wichtig sind. Sind die Werte Sicherheit, Konformität, Tradition, Fürsorge und Toleranz für andere Menschen und Respekt vor der Natur besonders wichtig, werden eher niedrigere Geschwindigkeiten gefahren als bei denen, für die diese Werte nicht so wichtig sind. Es wäre interessant zu wissen, ob sich die Werte-Typen auch auf konkretes Fahrverhalten, sei es im Realverkehr oder am Simulator, auswirken.

Der Einfluss der Werthaltungen auf das berichtete Geschwindigkeitsverhalten ist in beiden Studien beachtlich. Werden aus den Berechnungen die Merkmale „Alter“ und „Bindung an das Auto“ herausgenommen, zeigt sich, dass das Fahrverhalten bei den Älteren zu 25 % durch diese Werte-Typen erklärt wird, bei den Jüngeren sind dies 30 %. Dieser durch die Person erklärte Anteil des Fahrverhaltens könnte auch als Maß des Widerstandes interpretiert werden, gegen den Änderungsversuche im Rahmen von Kampagnen und Aufklärungsmaßnahmen anzutreten haben. Hierzu bedarf es geeigneter Konzepte, diesen Widerstand zu brechen.

Grafik 2: Junge Fahrerinnen und Fahrer (N=1154): Chi-Quadrat=8,123; df=7; p=.3218; CFI=.999; RMSEA=.012

Grafik 3: Personen ab 55 Jahre (N=1455): Chi-Quadrat=7,636; df=4; p=.1059; CFI=.997; RMSEA=.025


Literatur

[1] Schwartz, S.H. (1992). Universals in the content and structure of values: Theory and empirical tests in 20 countries. In M. Zanna (Ed.), Advances in experimental social psychology (Vol. 25) (pp. 1-65). New York: Academic Press.

[2] Holte, H. (im Druck). Seniorinnen und Senioren im Straßenverkehr – Bedarfsanalysen im Kontext von Lebenslagen, Lebensstilen und verkehrssicherheitsrelevanten Erwartungen. Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Heft M 285. Bremen: Fachverlag NW in der Carl Schünemann Verlag GmbH.

[3] Holte, H., Klimmt, C., Baumann, E. & Geber, S. (2014). Wirkungsvolle Risikokommunikation für junge Fahrer und Fahrerinnen. Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Mensch und Sicherheit, M 249. Bremen: Fachverlag NW.