So wie man lebt, so fährt man

Junge Leute haben das höchste Unfallrisiko. Jedoch nicht alle 18- bis 24-Jährigen sind gleichermaßen im Straßenverkehr gefährdet. Einen Zusammenhang zwischen dem Lebensstil junger Leute und der Unfallgefährdung konnte bereits in den Neunzigern nachgewiesen werden. Die Erkenntnisse hierzu wurden in einer neuen Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen bestätigt und erweitert.

Wie in früheren Studien wurde der Lebensstil junger Leute im weitesten Sinne über deren "Geschmack" definert [1]. Dieser äußert sich zum Beispiel in den bevorzugten Freizeitaktivitäten, den Musik- und Filmvorlieben, der Affinität gegenüber bestimmten sozialen Gruppen sowie der gewünschten Wirkung auf andere durch eine bestimmte Art, sich zu kleiden. Datengrundlage war eine Repräsentativbefragung von insgesamt 2.084 Personen im Alter zwischen 17 und 34 Jahren [2]. Eine Clusteranalyse ergab insgesamt sechs Lebensstilgruppen - den kicksuchenden Typ (13 %), den kulturinteressierten, kritischen Typ (8 %), den häuslichen Typ (16 %), den autozentrierten Typ (10 %), den Action-Typ (24 %) und den Beauty-Fashion-Typ (29 %). Die Gruppen lassen sich folgendermaßen beschreiben:

Elegant male model with the retro car

copyright konradbak - Fotolia.com

Der autozentrierte Typ

Für ihn besitzt das Autos und das Autofahren eine herausragende Bedeutung. Er geht häufiger aus und interessiert sich für Fantasie-, Science-Fiction, Action-Filmen und Sportsendungen. Der Lebensstil des auf das Auto fokussierten Typs ist außerdem durch einen vergleichsweise häufigen Alkoholkonsum in der Woche und durch eine relativ große Menge verzehrten Alkohols an einem Wochenendtag geprägt. Es wurden für diesen Typ die geringste Stresstoleranz sowie die deutlich stärkste Beeinträchtigung der Impulskontrolle gemessen. Diese Lebensstilgruppe setzt sich fast vollständig aus Männern zusammen und besitzt einen relativ hohen Anteil Berufstätiger, von denen ein beachtlicher Teil im Stahl-, Maschinen- und Fahrzeugbau tätig ist. Auffällig ist auch diie positive Bewertung national gesinnter Gruppierungen.

Der autozentrierte Typ hat mit 39 % den mit Abstand höchsten Anteil von Unfallbeteiligten und mit 27 % den höchsten Anteil von Personen, die mit mindestens einem Punkt im Verkehrszentralregister belastet sind. Besonders auffällig ist das mit Abstand stärkste Vertrauen in die eigenen Fahrfähigkeiten, die deutlich positivste Einstellung zu höheren Geschwindigkeiten und die deutlich positivste Einstellung zu aggressiven Verhaltensweisen im Straßenverkehr. Weiterhin befindet sich in dieser Lebensstilgruppe der größte Anteil von Personen, die bereits unter Alkoholeinfluss Auto gefahren sind (41 %) und ein relativ großer Anteil von Personen, die bereits unter dem Einfluss von Drogen oder Medikamenten am Steuer saßen (13 %). Typisch für den autozentrierten Typ ist auch die größte Anzahl von Kilometern, die in einem Jahr gefahren werden. Alle diese Ergebnisse kennzeichnen den autozentrierten Typ eindeutig als den im Straßenverkehr am stärksten Gefährdeten.

Der Action-Typ

Anders als beim autozentrierten Typ gehören zum Freizeitrepertoire des Action-Typs sportliche Aktivitäten und Fitness sowie der Besuch von Sportveranstaltungen. Abends ausgehen und etwas mit Freunden unternehmen, das kommt beim Action-Typ häufiger vor als beim autozentrierten Typ, ebenso die Vorliebe für Techno, House, Dancefloor, Rap oder Hip-Hop. Außerdem besteht beim Action-Typ eine stärkere Affinität zu Fußball- und Technofans. Sein Lebensstil ist weiterhin gekennzeichnet durch einen vergleichsweise hohen Anteil von Personen, die bereits mehrmals Haschisch oder mehrmals LSD, Kokain, Ecstasy oder Speed konsumiert haben. In dieser Lebensstilgruppe findet sich der zweithöchste Anteil an Männern und der deutlich höchste Anteil von 17- bis 20-Jährigen.

Mit 21 % wird in dieser Gruppe der zweithöchste Anteil von Unfallbeteiligten und der zweithöchste Anteil von Personen mit mindestens einem Punkt im Verkehrszentralregister (13 %) ausgewiesen. Typisch sind auch hohe Ausprägungen einiger für die Verkehrssicherheit relevanten Personenmerkmale, wie das Vertrauen in die eigenen Fahrfähigkeiten, die positive Einstellung zu höheren Geschwindigkeiten und die positive Einstellung zu aggressiven Verhaltensweisen im Straßenverkehr. Relativ viele Personen dieser Lebensstilgruppe geben an, bereits alkoholisiert Auto gefahren zu sein (34 %). Die Anzahl der in einem Jahr zurückgelegten Autokilometer ist hier am geringsten. Der Action-Typ gehört zu den im Straßenverkehr stärker Gefährdeten.

Der Beauty-Fashion-Typ

Zum Lebensstil dieses Typs gehört es auszugehen, sich modisch zu kleiden und Pop-Musik, Techno, Dancefloor, Rap oder Hip-Hop zu hören. Es besteht außerdem die Vorliebe für Castingshows, Daily Soaps, Talkshows oder leichte Unterhaltung durch Quiz- oder Spielshows, Filmkomödien, Liebesfilme oder Kochsendungen. Eine gewisse Affinität äußert sich zu Technofans, Raver oder Discofans. Der Frauenanteil ist mit über 90 % in dieser Lebensstilgruppe so hoch ist wie in keiner anderen. Außerdem sind in dieser Gruppe vergleichsweise viele 17- bis 20-Jährige anzutreffen. Für Vertreter dieses Lebensstils sind eher stärkere emotionale Reaktionen und eine stark ausgeprägte Stresstoleranz charakteristisch.

Für den Beauty-Fashion-Typ wird mit 20 % der dritthöchste Anteil an Unfallbeteiligten ausgewiesen. Der Anteil an Personen, die mindestens einen Punkt im Verkehrszen-tralregister gesammelt haben, fällt mit 6 % in dieser Lebensstilgruppe dagegen am geringsten aus. Typisch für den Beauty-Fashion-Typ ist das am schwächsten ausgeprägte Vertrauen in die eigenen Fahrfähigkeiten, die am negativsten ausgeprägte Einstellung zur Geschwindigkeit und die am negativsten ausgeprägte Einstellung zu aggressiven Verhaltensweisen. Kennzeichnend ist auch der geringste Anteil von Personen, die bereits unter Alkoholeinfluss Auto gefahren sind (19 %). Außerdem legt diese Lebensstilgruppe die geringste Anzahl von Kilometern in einem Jahr mit dem Auto zurück. Im Vergleich zu den anderen Lebensstilgruppen steht der Beauty-Fashion-Typ an der Schwelle zu den eher Gefährdeten im Straßenverkehr. Das erhöhte Unfallrisiko von Personen dieser Lebensstilgruppe lässt sich jedoch nicht aus den Ausprägungen ihrer Erwartungen und ihres berichteten Fahrstils ablesen, so dass möglicherweise Kompetenzdefizite eine wichtigere Rolle spielen als bei den übrigen Lebensstilgruppen.

Der kulturinteressierte, kritische Typ

Den kulturinteressierten, kritischen Typ charakterisiert das Bedürfnis Informationen und ruhige Freizeitaktivitäten. Typisch ist daher die Vorliebe fürs Wandern, Spazierengehen, Lesen, Ausstellungen besuchen oder das Hören von Jazz oder klassischer Musik. Das Bedürfnis nach Informationen wird durch das Betrachten von Kultursendungen, Reportagen oder Nachrichten befriedigt. Auch der Besuch eines Museums bietet neben der Unterhaltung genügend Möglichkeiten, sich weiterzubilden. Kennzeichnend für diese Lebensstilgruppe ist außerdem der größte Anteil von Personen, die bereits mehrmals Schlaf- oder Beruhigungstabletten eingenommen haben. Diese Gruppe hat mit 73 % einen sehr hohen Frauenanteil.

Für diesen Typ wird ein durchschnittlicher Anteil von Unfallbeteiligten (19 %) und ein durchschnittlicher Anteil von Personen mit mindestens einem Punkt im Verkehrszentralregister (11 %) ausgewiesen. Weiterhin zeigt sich beim kulturinteressierten, kritischen Typ ein vergleichsweise schwach ausgeprägtes Vertrauen in die eigenen Fahrkünste, vergleichsweise negativ ausgeprägte Einstellungen zum Fahren mit höheren Geschwindigkeiten und zu aggressiven Verhaltensweisen im Straßenverkehr und eine am negativsten ausgeprägte Einstellung zum Fahren unter Alkoholeinfluss. Vergleichsweise gering ist auch der Anteil von Personen, die bereits unter Alkoholeinfluss Auto gefahren sind (21 %). Der Anteil an Personen, die bereits eine Fahrt unter Drogen- oder Medikamenteneinfluss unternommen haben (5 %), fällt sogar am geringsten aus. Diese Lebensstilgruppe legt relativ viele Kilometer im Jahr mit dem Auto zurückl Im Vergleich zu den anderen Lebensstilgruppen gehört der kulturinteressierte, kritische Typ zu den eher weniger Gefährdeten im Straßenverkehr.

Der häusliche Typ

Zum Lebensstil des häuslichen Typs gehören wenige Freizeitaktivitäten und insgesamt wenige Interessen und Vorlieben in Hinblick auf bestimmte gesellschaftliche Gruppierungen, Musikrichtungen und Filmgenres. Etwas Interesse lässt sich an Sportsendungen, Volksmusik, deutsche Schlager und Country-Musik erkennen. Eine leichte Affinität äußert sich für Fußballfans. Am liebsten verbringt dieser die freie Zeit zu Hause. Diese Lebensstilgruppe hat einen höheren Anteil an Männern.

Für den häuslichen Typ lässt sich der zweitgeringste Anteil sowohl von Unfallbeteiligten (17 %) als auch von Personen mit mindestens einem Punkt im Verkehrszentralregister (9 %) nachweisen. Die verkehrssicherheitsrelevanten Merkmale zeigen in dieser Gruppe keine besonderen Auffälligkeiten und stehen in Einklang mit der relativ geringen Unfallbeteiligung. Im Vergleich zu den anderen Lebensstilgruppen gehört insbesondere der häusliche Typ zu den weniger Gefährdeten im Straßenverkehr.

Der kicksuchende Typ

Typisch für Personen dieser Lebensstilgruppe ist das Bedürfnis nach neuen, intensiven Erlebnissen. Diesen „Kick“ finden sie zum Beispiel beim Extremsport, auf Rockkonzerten oder beim Hören von Heavy-Metal-Musik. Der kicksuchende Typ fühlt sich in der Nähe von Globalisierungskritikern, als Rollenspieler im Internet oder beim Tragen auffälliger Kleidung wohler als Personen aus den übrigen Gruppen. Dieser Lebensstil ist außerdem gekennzeichnet durch den am häufigsten vorkommenden Alkoholkonsum in der Woche, die größte Menge konsumierten Alkohols an einem Wochenendtag, den deutlich größten Anteil von Personen, die bereits mehrmals Haschisch, LSD, Kokain, Ecstasy oder Speed konsumiert haben. Auffällig sind hier die stärkste Beeinträchtigung der Aufmerksamkeitssteuerung, die stärksten emotionalen Reaktionen und die stärkste Überaktivität. Es befinden sich in dieser Lebensstilgruppe mehr Männer als Frauen.

Mit dem Autofahren allerdings scheint der kicksuchende Typ kein größeres Risiko in Kauf zu nehmen, um das Bedürfnis nach abwechslungsreichen Sinneseindrücken zu befriedigen. Diese Lebensstilgruppe hat mit 15 % den geringsten Anteil an Unfallbe-teiligten und mit 9 % einen durchschnittlichen Anteil an Personen, bei denen mindestens ein Punkt im Verkehrszentralregister zu Buche steht. Andererseits fällt der kicksuchende Typ durch eine vergleichsweise positive Einstellung zu aggressiven Verhaltensweisen auf und durch den größten Anteil an Personen, die bereits unter Drogen- oder Medikamenteneinfluss Auto gefahren sind (15 %). Im Vergleich zu den anderen Lebensstilgruppen gehört der kicksuchende Typ trotz seines starken Erlebnishungers zu den eher weniger Gefährdeten im Straßenverkehr.

Risikokommunikation mit der Hochrisikogruppe

Mit der vorliegenden Studie wird der Blick auf Risiko erhöhenden Einstellungen und Fahrmotive (z.B. Spaß haben, Vollgas zu geben) gerichtet. Diese sind zu einem großen Teil als Ausdruck entwicklungsbedingter Bedürfnisse und Problemsituationen junger Menschen zu verstehen. Es wird durch diese Studie deutlich, dass, dass ein höheres Gefährdungspotenzial junger Fahrer und Fahrerinnen nicht an engen Altersgrenzen und nicht am sozioökonomischen Status gebunden ist, sondern primär mit der Ausprägung bestimmter psychologischer Merkmale im Zusammenhang steht. Diese wiederum sind sehr eng mit dem Geschlecht der Befragten verknüpft. Die gewonnen Kenntnisse darüber, wie junge Fahrerinnen und Fahrer sich verhalten, wie sie leben, wo sie anzutreffen und wie sie anzusprechen sind, geben vielfältige Anhaltspunkte dafür, wie Maßnahmen der personalen Kommunikation (z.B. Schulungen, Fahrausbildung) und kommunikative Maßnahmen, die auf ein breites Publikum ausgerichtet sind (z.B. Kampagnen, Plattformen Online-Kommunikation), zielgruppengerecht entwickelt und umgesetzt werden können.


[1] Schulze, H. (1999). Lebensstil, Freizeitstil und Verkehrsverhalten 18- bis 34-jähriger Verkehrsteilnehmer. Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Mensch und Sicherheit, M 103, Bremerhaven: Wirtschaftsverlag NW.

[2] Holte, H. (2012). Einflussfaktoren auf das Fahrverhalten und das Unfallrisiko junger Fahrerinnen und Fahrer. Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Mensch und Sicherheit, Heft M 229, Bremerhaven, Bergisch Gladbach: Wirtschaftsverlag NW.