Junge Leute lassen sich oft von Gleichaltrigen beeinflussen. Das gilt zum Beispiel für den Konsum von Alkohol oder Drogen, das gilt jedoch auch für das Autofahren. Wie stark dieser Einfluss tatsächlich ist, geht aus einer neuen Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) hervor. Außerdem konnte nachgewiesen werden, dass junge Leute dazu neigen, die verkehrsbezogenen Einstellungen und das Fahrverhalten ihrer Freunde falsch einzuschätzen.
Risikofaktor "Gleichaltrige"Internationale Forschungsergebnisse belegen ein erhöhtes Unfallrisiko von jungen Fahrerinnen und Fahrern bei Anwesenheit Gleichaltriger. Entsprechende Belege zur Stärke des Einflusses Gleichaltriger auf das Fahrverhalten dieser Altersgruppe lagen jedoch bislang nicht vor. Der Einfluss Gleichaltriger auf das Fahrverhalten junger Leute kann im Wesentlichen durch zwei unterschiedliche Prozesse erklärt werden: (1) Die soziale Norm der Gruppe der Gleichaltrigen beeinflusst das eigene Verhalten oder (2) die Anwesenheit Gleichaltriger lenkt von der Fahraufgabe ab. Letzteres ist nicht Gegenstand dieser Betrachtung. Im Unterschied zur "objektiven" sozialen Norm wird die "subjektive", wahrgenommene soziale Norm durch die Erwartung junger Fahrer und Fahrerinnen erfasst, wie deren Freunde das eigene Verhalten bewerten und wie sehr sie es akzeptieren. Menschen haben das Bedürfnis, von wichtigen Bezugspersonen akzeptiert zu werden. Um diese Akzeptanz zu erhalten, werden eigene Einstellungen und Verhaltensweisen häufig an denen der anderen angepasst. Damit besteht der Einflusses Anderer u.a. darin, dass solche Anpassungsprozesse in Gang gebracht werden.
VorgehensweiseUm die Frage nach dem Einfluss Gleichaltriger beantworten zu können, wurde in der neuen Studie der BASt eine Repräsentativbefragung durchgeführt und eine Analysemethode gewählt, die es ermöglicht, sowohl Einflussmerkmale der Person als auch Merkmale der Freunde als Einflussquellen zu identifizieren und den jeweiligen Erklärungsanteil am riskanten Fahrverhalten der Person zu berechnen. Diese Analyse wird als Mehrebenen-Analyse bezeichnet. In der vorliegenden Studie waren zwei Ebenen definiert, die des einzelnen Pkw-Fahrers bzw. der Fahrerin und die der Peer-Gruppe des Fahrers bzw. der Fahrerin. Als riskantes Fahrverhalten wurden das Fahren mit deutlich erhöhter Geschwindigkeit, das Fahren nach dem Konsum von Alkohol und die Handybenutzung während des Fahrens zugrundegelegt. Es wurden repräsentativ 311 junge Pkw-Fahrerinnen und ‑Fahrer zwischen 18 und 24 Jahren sowie jeweils drei ihrer guten Freunde ausgewählt und ausführlich zu verkehrssicherheitsrelevanten Aspekten befragt. Die gesamte Stichprobe bestand somit aus 1.244 Personen.
ErgebnisseDer Einfluss der Peer-Gruppe auf das Risikoverhalten junger Fahrerinnen und Fahrer kann als ausgesprochen stark bezeichnet werden und betrifft alle drei Risikoverhaltensweisen. Etwa ein Drittel der statistischen Streuung des jeweiligen Risikoverhaltens kann durch Merkmale der Peer-Gruppe erklärt werden kann. In anderen Worten: Der Erklärungsanteil für jede der drei Risikoverhaltensweisen beträgt etwa 30 Prozent.
Bei differenzierter Betrachtung zeigt sich, dass das riskante Fahren der jungen Leute wesentlich stärker von der wahrgenommenen Häufigkeit des Risikoverhaltens der Freunde (deskriptive Norm) beeinflusst wird als von der wahrgenommenen Einstellung der Freunde zu diesem Risikoverhalten (injunktive Norm). Das heißt, je häufiger ein entsprechendes Risikoverhalten bei den Freunden beobachtet wird, umso wahrscheinlicher, dass man sich selbst genauso verhält. Dabei gilt es weiterhin zu bedenken, dass dieser Einfluss der deskriptiven Norm auf das eigene Risikoverhalten noch zusätzlich durch ein überhöhtes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten als Autofahrer bzw. Autofahrerin (Handlungskompetenzerwartung) verstärkt wird.
Überraschenderweise hat sich auch gezeigt, dass junge Fahrerinnen und Fahrer falsche Vorstellungen von der Risikoakzeptanz und vom Risikoverhalten ihrer Peer-Gruppe haben. Häufig wird beides von ihnen überschätzt, insbesondere beim Risikoverhalten "Drink & Drive".
FazitDie Ergebnisse dieser Studie bestätigen einen starken Einfluss der Peer-Gruppe auf das Risikoverhalten junger Fahrerinnen und Fahrer. Damit stützen sie die Forderung nach Verkehrssicherheitsmaßnahmen, die auf die Peer-Gruppe junger Leute ausgerichtet sind. Außerdem sollten diejenigen Mitglieder einer Peer-Gruppe, die durch ihre meinungsführende Rolle die Einstellungen der anderen Mitglieder der Peer-Gruppe beeinflussen, hinsichtlich ihrer sozialen Verantwortung sensibilisiert werden. Diese besteht darin zu erkennen, dass sie durch ihr eigenes Verhalten eine Vorbildfunktion in positiver wie negativer Hinsicht ausüben.
Was die jungen Fahrerinnen und Fahrer betrifft, so wird von den Autoren empfohlen, sogenannte soziale Appelle an die Zielgruppe zu adressieren. Dabei liegt der Fokus der Botschaft auf den sozialen Konsequenzen, wie zum Beispiel auf der Akzeptanz und der Anerkennung einer angepassten Fahrweise oder auf Ablehnung und Ausgrenzung einer riskanten Fahrweise in ihrer Peergruppe. Eine solche kommunikative Strategie ist deshalb zu empfehlen, da insbesondere für junge Menschen die Beziehungen zu ihren Peers - und damit verbunden die Akzeptanz der Peers - besonders wichtig sind.
Literatur