Als Radfahrender erlebt man häufig Situationen, in denen man sich zum Beispiel über das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer ärgert, über die Beschaffenheit der Fahrbahn oder über die Verkehrsregelung. In der SENIORRIDE-Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen wurden ältere Menschen gefragt, wie häufig sie bestimmte Erfahrungen als Radfahrende in ihrer gewohnten Umgebung gemacht haben [1].
Die Datengrundlage bildete eine Repräsentativbefragung von insgesamt 2.031 Personen im Alter ab 65 Jahren. Um die persönlichen Erfahrungen der älteren Radfahrenden zu erfassen, wurden die Befragten gebeten anzugeben, ob die in 31 Aussagen beschriebenen Erfahrungen nie, selten, gelegentlich, oft, oder sehr oft/immer im vergangenen Jahr vorgekommen sind. Wie sich zeigt, bilden die aufsummierten Antworten zu den 31 Einzelaussagen eine zuverlässige Skala (Cronbachs Alpha=.91), durch die der persönliche Erfahrungshintergrund einer Rad fahrenden Person mit einem einzigen Summenwert angegeben werden kann. Ein hoher Summenwert steht allgemein für ein häufigeres Nennen negativer Erfahrungen als Radfahrender, und ein niedriger Summenwert steht für eine geringe bzw. sehr geringe Anzahl berichteter negativer Erfahrungen. Basierend auf diesem Summenwert berichten Frauen etwas häufiger negative Radfahrerfahrungen als Männer. Außerdem besteht kein statistischer Zusammenhang zwischen dem Alter der Befragten und der berichteten Häufigkeit bestimmter Erfahrungen.
Überraschend jedoch ist der fehlende Einfluss von Erfahrungen auf die Häufigkeit des Radfahrens, auf das gewohnheitsmäßige Radfahren und auf das zukünftige Radfahren. Ein vergleichbares Ergebnis gab es bereits für die älteren Fußgänger im Rahmen eines BASt-Projekts (Holte, 2021a). So wirken sich zum Beispiel negative Erlebnisse von Radfahrenden mit Autofahrern nicht auf die Radfahrgewohnheiten aus oder auf die Absicht, in Zukunft weniger mit dem Rad zu fahren. Offensichtlich nehmen viele Ältere die negativen Erfahrungen beim Radfahren in Kauf und fahren gegenwärtig wie auch zukünftig trotzdem mit dem Fahrrad.
Die zehn persönlichen Erfahrungen von Radfahrern, die am häufigsten „oft“ oder „sehr oft/immer“ genannt werden, sind:
- Gut geregelter Straßenverkehr (56,6 %),
- Autos, die nach meinem Empfinden zu schnell fahren (38,2 %),
- Zu viel Autoverkehr (31 %),
- Ein Auto fährt zu eng an mir vorbei (30,9 %),
- Parkende Autos auf Radwegen (27,7 %),
- Fußgänger auf dem Radweg (26,7 %),
- Rücksichtslose Autofahrer (25,4 %),
- Unebenheiten oder Löcher auf den Radwegen (23,9 %),
- Sichtbehinderung durch parkende Autos (23,9 %) und
- Hindernisse auf Radwegen (19,5 %).
In dieser Liste der Radfahrererfahrungen sind die Autofahrenden insgesamt sechsmal vertreten. Rad fahrende Frauen berichten häufiger als Rad fahrende Männer negative Erlebnisse mit Autofahrern. Eine knappe Mehrheit der Befragten erlebt grundsätzlich einen gut geregelten Straßenverkehr.
Die zehn persönlichen Erfahrungen von Radfahrern, die am wenigsten oft oder am wenigsten sehr oft berichtet werden, lauten:
- Wenig attraktive Umgebung (8,9 %),
- Straßenschilder nicht gut erkennbar (8,9 %),
- Nicht oder nicht hinreichend gesicherte Baustellen (9,5 %),
- Fehlende Beschilderung zur Orientierung (10,1 %),
- Umwege fahren müssen wegen Baustellen (10,1 %),
- Unklare Verkehrsregelung (11 %),
- Zu steile Anstiege auf meinem Weg (11,1 %),
- Autotüren, die vor mir auf dem Weg plötzlich geöffnet werden („Dooring“) (11,5 %),
- Ärger mit Fußgängern (11,8 %) und
- Nicht weggeräumter Schnee oder Glatteis auf Radwegen (13,1 %).
Resümee
Die persönlichen Erfahrungen als Radfahrer bzw. Radfahrerin spiegeln die persönliche Wahrnehmung und Bewertung der verkehrlichen Umwelt dieser Verkehrsteilnehmergruppe wider. In der vorliegenden SENIORRIDE-Studie werden die zu hohen Geschwindigkeiten der Autos, der zu starke Autoverkehr und die zu eng vorbeifahrenden Autos von den befragten Senioren und Seniorinnen am häufigsten beklagt. Der Ärger mit Fußgängern kommt dagegen eher seltener vor. Wie oben erwähnt, stehen die berichteten Erfahrungen der älteren Radfahrenden nicht mit dem Alter befragten Personen in Zusammenhang, treffen also sowohl für die jüngeren als auch für die älteren Seniorinnen und Senioren zu. Bei der Entscheidung für oder gegen aktuelles und zukünftiges Radfahren spielen diese negativen Erfahrungen offensichtlich keine wesentliche Rolle und halten die Seniorinnen und Senioren nicht vom Radfahren ab. Das trifft zwar für die Gesamtgruppe der älteren Radfahrenden zu, kann aber im Einzelfall auch anders aussehen.
Literatur


