Straßen sind in der Welt der Schimpansen nicht vorgesehen und doch gibt es sie, wie zum Beispiel im westafrikanischen Guinea oder im Kibale-Natioanlpark im Norden Ugandas. Dort kreuzen Fahrbahnen den Weg der Primaten, und deshalb müssen sie diese überqueren. Wie sie das an diesen zwei Orten anstellen, wurde von Wissenschaftlern untersucht.
Wer schon einmal mit einem Auto durch den Krügerpark in Südafrika gefahren ist, der weiß, wie höllisch man darauf Acht geben muss, ob nicht plötzlich eine Antilope oder ein Warzenschwein aus dem Dickicht geschossen kommt. Schimpansen im Kibale Nationalpark verhalten sich beim Überqueren einer Asphalt-Straße ganz anders. Sie gehen mit großer Vorsicht vor, wie eine neue Studie zeigt [1]. Insgesamt 92 Prozent von insgesamt 122 überquerenden Schimpansen schauten zuvor nach links, rechts oder in beiden Richtungen. Diese Straße wird viel befahren, pro Stunde kommen dort etwa 89 Fahrzeuge mit einer Geschwindigkeit bis zu 100 km/h vorbei. Wie die Studie außerdem zeigt, ging das Alpha-Männchen beim Überqueren meistens voran (83 %). Im Vergleich dazu klettert das Alpha-Männchen lediglich in 51 Prozent der Fälle als erster auf einen Baum. Wie die Biologin Marie Cibot vom Muséum national d’histoire naturelle in Paris berichtete, hatten es 57 Prozent der Überquerenden eilig auf die andere Seite zu gelangen. Scheinbar wissen sie, an dieser Stelle könnte etwas Großes, Gefährliches mit hoher Geschwindigkeit vorbeirasen.
Dieses Video wurde von New Scientist bei Youtube hochgeladen. Im New Scientist wurde zu dieser Geschichte ebenfalls ein Beitrag veröffentlicht: siehe hier.
Die besondere Führsorge des Alpha-Männchens einer Schimpnsengruppe zeigte sich auch in einer Studie, die vor einigen Jhren die Psychologin Kimberley Hockings von der University of Stirlin durchgeführt hat [2]. Eine Straße im westafrikanischen Guinea stellt für die Schimpansen eine potenzielle Gefahr dar, deshalb laufen sie nicht willkürlich und achtlos über die Straße, sondern organisieren sich und kooperieren miteinander, um diese Gefahr angemessen zu meistern. Dabei übernehmen Alpha-Männchen gleichsam die Rolle von Schülerlotsen, die die Straße im Auge behalten und auf mögliche Gefahren Ausschau halten. Ist die Luft rein, überqueren die Schimpansen – angeführt vom Alpha-Weibchen – wie in der Formation von Erstklässlern die Straße. Das Schlusslicht bildet zum Schutz ein ranghohes Männchen.
Kimberley Hockings weist auf die besondere Lernfähigkeit der Schimpansen hin und stellt die Kooperationsbereitschaft von dominanten Männchen heraus, die ihre Dienste in den Schutz der gesamten Gruppe stellen. Offen bleiben einige interessante Fragen: Auf welche Weise wird die Selbstorganisation der Gruppe gelernt? Wie sehr steuern angeborene Instinkte in Gefahrensituationen automatisch die Rollenverteilung in einer Gruppe? Wie sehr sind sich Schimpansen ihrer vorsichtigen Handlung bewusst? Und kann es etwa sein, dass sich der Fußgänger Schimpanse beim Überqueren einer Straße sozialer verhält als der Homo Sapiens?
Referencies
[1] Cibot, M., Bortolamiol, S., Seguya, A. & Krief, S. (2015). Chimpanzees facing a dangerous situation: A high-traffic asphalted road in the Sebitoli area of Kibale National Park, Uganda. American Journal of Primatology, Article first published online: 10 APR 2015, DOI: 10.1002/ajp.22417.
[2] Hockings, K.J., Anderson, J.R. & Matsuzawa, T. (2006). Road-crossing in chimpanzees: a risky business. Current Biology, 16, 668.