Wer gerne schnell fährt, der ist auch eher geneigt sich beim Fahren aggressiv zu verhalten

Das Fahren mit höherer Geschwindigkeit ist mit bestimmten Erwartungen verbunden. Sie betreffen die eigene Sicherheit, das eigene Können oder auch einfach den Spaß daran. Die Bundesanstalt für Straßenwesen konnte in zwei Studien zeigen, dass diese Erwartungen einen starken Einfluss auf die Einstellung zu aggressiven Verhaltensweisen im Straßenverkehr ausüben.

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Erwartungen, die mit dem schnellen Fahren verbunden sind, beeinflussen die Einstellung gegenüber aggressiven Verhaltensweisen im Straßenverkehr. Diese Erwartungen beziehen sich im weitesten Sinne auf die Konsequenzen des schnellen Fahrens, wie zum Beispiel auf die Fähigkeit, eine Kurve sicher und rasant zu durchfahren, aber auch auf den erwarteten Fahrspaß oder die geringe Unfall-wahrscheinlichkeit. Aus den Angaben zu den unterschiedlichen Erwartungen lässt sich durch Aufaddieren ein Gesamtwert berechnen, der zuverlässig die "erwarteten Konsequenzen" im Hinblick auf das schnelle Fahren erfasst. Diese erwarteten Konsequenzen können auch als ein Maß für die "erwartete Sicherheit" oder die "subjektive Sicherheit" interpretiert werden.

In zwei repräsentativen Befragungen wurde ein Zusammenhang zwischen solchen Erwartungen und der Einstellung zu aggressiven Verhaltensweisen im Straßenverkehr untersucht. Dazu wurde in der JUFA-Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen (Holte, 2012) eine Skala zur Erfassung der Einstellung zu aggressiven Verhaltensweisen beim Autofahren entwickelt. Sie besteht aus 10 Verhaltensweisen (siehe Bild 2). Die Befragten wurden gebeten anzugeben, ob sie das jeweilige Verhalten im Straßenverkehr in jedem Fall für in Ordnung halten (10), oder unter keinen Umständen (1), oder irgendwo zwischen (1) und (10). Für weitere statistische Analysen wurde aus den Angaben zu den zehn Verhaltensweisen ein Summenscore gebildet.

Bild 2: Eine Faktorenanalyse mit obliminer Rotation ergibt einen Faktor, der 44,7 % der Gesamtvarianz erklärt. Das Cronbachs Alpha beträgt .85 (Holte, 2012).

Eine auf vier Verhaltensweisen gekürzte Fassung dieser Skala wurde in der Befragungsstudie ESRA (E-Survey of Road Users’ Attitudes) in der Deutschen Stichprobe eingesetzt. Es sind dies in Bild 2 die Nummern 1, 3, 4 und 7. Ebenfalls verändert wurde die Zahl der Antwortkategorien. Sie reichten von 1 "unter keinen Umständen" bis 5 "in jedem Fall in Ordnung". Aus den Antworten der vier Aspekte wurde ein Summenwert berechnet, der die Einstellung gegenüber aggressiven Verhaltensweisen im Straßenverkehr erfasst.

Beide Studien beantworten nicht grundsätzlich die Frage, welche Auswirkungen Geschwindigkeiten auf Aggressionen im Straßenverkehr haben. Sie beleuchten ausschließlich die Rolle der auf das Fahren mit höherer Geschwindigkeit bezogenen Erwartungen bei der Entwicklung einer Einstellung gegenüber aggressiven Verhaltensweisen im Straßenverkehr.

Zentrales Ergebnis: Je positiver die erwarteten Konsequenzen ausgeprägt sind, desto positiver ist die Einstellung zu aggressiven Verhaltensweisen. Dies ist in beiden Studien als starker Effekt zu bewerten (Bilder 3 und 4).

Dabei teilt sich der Einfluss der erwarteten Konsequenzen in einen direkten und einen indirekten Effekt auf. Der indirekte Effekt geht in beiden Projekten über das berichtete Geschwindigkeitsverhalten, wobei im ESRA-Projekt zwischen dem konkreten Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und dem gewohnheitsmäßigen zu schnell fahren unterschieden wird. Insgesamt zeigt sich: Je häufiger über das Fahren mit höheren Geschwindigkeiten berichtet wird, desto positiver ist die Einstellung zu aggressiven Verhaltensweisen ausgeprägt. Die Einstellung zu aggressiven Verhaltensweisen kann durch die jeweiligen Einflussfaktoren in beiden Studien annähernd gleich gut erklärt werden, in der JUFA-Studie beträgt dieser Erklärungsanteil 31,3 %, in der ESRA-Studie 33,4 %.

In beiden Studien ist die Einstellung zu aggressiven Verhaltensweisen im Straßenverkehr bei Männern positiver ausgeprägt als bei Frauen. Allerdings handelt es sich jeweils um einen schwachen Effekt (.18 und -.15). Die verschiedenen Vorzeichen erklären sich aus unterschiedlichen Kodierungen für Männer und Frauen. Im JUFA-Projekt ergab sich für das Personenmerkmal "Probleme bei der Impulskontrolle" ein schwacher bis mittlerer Gesamteffekt (.23) auf die Einstellung zu aggressiven Verhaltensweisen im Straßenverkehr. Je stärker dieses Problem ausgeprägt ist, desto positiver ist auch die Einstellung zu aggressiven Verhaltensweisen.

Bild 3: Eigene Berechnungen zum JUFA-Projekt der Bundesanstalt für Straßenwesen (Holte, 2012)

Bild 4: Eigene Berechnungen zum ESRA-Projekt

Fazit

Personen, die gerne schnell mit dem Auto unterwegs sind, die von ihrer Fähigkeit überzeugt sind, auch schwierige Fahraufgaben sicher zu lösen, und die häufiger auch mal schneller fahren als es erlaubt ist, sind eher bereit, aggressive Verhaltensweisen im Straßenverkehr zu akzeptieren. Solche Menschen sind häufig einem bestimmten Autofahrer-Typ zuzuordnen, dem autozentrierten Typ, für den das Auto und das Autofahren einen besonderen Stellenwert im Leben einnehmen. Wer kommunikative Maßnahmen zur Änderung der Einstellung gegenüber Aggressionen im Straßenverkehr entwickelt, sollte berücksichtigen, dass diese Einstellung im Verbund mit anderen verkehrssicherheitsrelevanten Erwartungen steht und darin verankert ist. Dadurch wird die Entwicklung einer kommunikativen Maßnahme zur Änderung dieser Einstellung zu einer ausgesprochen anspruchsvollen Aufgabe in der Verkehrssicherheitsarbeit.


Referenzen

Holocher, S., & Holte, H. (2019) Speeding. ESRA2 Thematic report Nr. 2. ESRA project (E-Survey of Road users’ Attitudes). Bergisch Gladbach, Germany: Federal Highway Research Institute.

Holte, H. (2012). Einflussfaktoren auf das Fahrverhalten und das Unfallrisiko junger Fahrerinnen und Fahrer. Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Mensch und Sicherheit, Heft M 229, Bremerhaven, Bergisch Gladbach: Wirtschaftsverlag NW.