VERKEHRSKLIMA 2020 in Deutschland

Das Verkehrsklima in Deutschland wird im Durchschnitt weder besonders positiv noch besonders negativ beurteilt. Das ergab eine neue Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) [1]. Allerdings zeigen sich in der Beurteilung deutliche regionale Unterschiede sowie Unterschiede zwischen verschiedenen Verkehrsteilnehmergruppen.

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Freundlich im Straßenverekhr miteinander umgehen statt aggressiv. 

Was ist das Verkehrsklima und wie lässt es sich messen? Allgemein formuliert, beschreibt das Verkehrsklima den Umgang der Verkehrsteilnehmer miteinander. Da bislang zuverlässige objektive Kriterien für eine solche Beurteilung fehlen [2, 3], werden die Verkehrsteilnehmer selbst danach gefragt, wie sie den Umgang der Verkehrsteilnehmer miteinander wahrnehmen und ob sich ihrer Meinung nach das Verkehrsklima in den vergangenen Jahren verändert hat. Durchgeführt wurde eine Repräsentativbefragung, an der 2.477 Personen ab sechzehn Jahren teilnahmen. Diese Teilnahme erfolgte entweder online oder per Telefon. Die Online-Interviews dauerten durchschnittlich 14 Minuten, die Telefon-Interviews 22 Minuten.

Die zentrale Frage lautete: „Wie würden Sie den Umgang zwischen verschiedenen Verkehrsteilnehmergruppen anhand der folgenden Eigenschaftspaare beschreiben? Autofahrer/innen verhalten sich gegenüber Autofahrern/innen häufiger …“ Folgende Eigenschaftspaare waren zur Beantwortung vorgegeben:  angespannt/harmonisch, aggressiv/freundlich, egoistisch/hilfsbereit, unfair/fair, fordernd/nachgiebig, rau/höflich und rücksichtslos/rücksichtsvoll. Für jedes Eigenschaftspaar konnte eine Zahl zwischen -3 (z. B. sehr egoistisch) und +3 (z. B. sehr hilfsbereit) gewählt werden. Diese Eigenschaftspaare wurden viermal zur Beantwortung vorgegeben – zur Gesamtbeurteilung des Umgangs miteinander, zur Beurteilung des Verhaltens von Autofahrern gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern, zur Beurteilung des Verhaltens von Radfahrern gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern und zur differenzierten Beurteilung des Verhaltens von Autofahrern und Radfahrern.

In ganz Deutschland wird das Verkehrsklima weder schlecht noch gut beurteilt. Der entsprechende Durchschnittswert von -2,4 lag sehr nahe dem 0-Punkt einer Skala, deren Werte von -24 bis +24 reichen. Die 16- bis 24-Jährigen beurteilten das Verkehrsklima besser als die 25- bis 64-Jährigen. Am besten wird es von Personen ab 75 Jahren beurteilt. Außerdem beurteilen Auto-Vielfahrer das Verkehrsklima besser als -Wenigfahrer. Wie zu erwarten, zeigte sich weiterhin, dass je stärker die Aggressionen anderer Verkehrsteilnehmer wahrgenommen werden, umso schlechter wird das Verkehrsklima bewertet.

Insgesamt wird das Verhalten von Radfahrern geringfügig schlechter beurteilt als das von Autofahrern. Das Verhalten von Radfahrern wird in Berlin deutlich schlechter beurteilt als in den meisten anderen Bundesländern. Das Verhalten von Radfahrern gegenüber Autofahrern (-3,46) wurde etwas schlechter bewertet als das gegenüber Fußgängern (- 2,91) und gegenüber anderen Radfahrern (+1,09). Und das Verhalten von Autofahrern gegenüber anderen Autofahrern (-2,09) wurde etwas schlechter beurteilt als das gegenüber Radfahrern (-1,78) und gegenüber Fußgängern (+2,86).  Auch hier sind alle Abweichungen von Durchschnittswert der Verkehrsklimabeurteilung als eher geringfügig anzusehen.

Es wurde außerdem die Frage gestellt, ob sich das Verkehrsklima in den letzten drei Jahren verändert habe. 7,6 % der Befragten sehen eine Verbesserung, 51,7 % eine Verschlechterung, und für 40,8 % hat es sich nicht verändert. Es ist jedoch zu vermuten, dass die Wahrnehmung der Veränderung des Verkehrsklimas von Verkehrsteilnehmern durch eine Reihe von Faktoren beeinflusst wird, wie zum Beispiel durch Medienberichte. Wer häufig liest oder hört, dass der Straßenverkehr immer aggressiver und das Verkehrsklima immer schlechter wird, der kann dadurch auch in der eigenen Meinungsbildung beeinflusst werden.

Das Verkehrsklima im Jahr 2020 wird in Deutschland im Durchschnitt weder besonders gut noch besonders schlecht beurteilt. Der Eindruck, der durch viele Medienberichte vermittelt wird, das Verkehrsklima sei insgesamt schlecht, kann durch die vorliegende Studie der BASt nicht bestätigt werden. Die Studie kann allerdings zeigen, wo sich deutliche Abweichungen von einer durchschnittlichen Beurteilung des Verkehrsklimas ergeben, und kann damit zur zielgerichteten Planung und Umsetzung von Maßnahmen zu einer Verbesserung des Verkehrsklimas beitragen.


Literatur

[1] Holte, H. (2021). Verkehrsklima 2020. Kontinuierliche Erfassung des Verkehrsklimas: Baseline Messung. Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen. Heft M 316. Bremen: Fachverlag NW in der Carl Schünemann Verlag GmbH.

[2] Holte, H. (2020). Aggressives Verhalten im Straßenverkehr und Verkehrsklima – Häufigkeit, Ursachen und Maßnahmen. In Deutscher Verkehrsgerichtstag (Hrsg.), Veröffentlichung der auf dem 58. Deutschen Verkehrsgerichtstag vom 29.–31.01.2020 in Goslar gehaltenen Vorträge, Referate und erarbeiteten Empfehlungen (S. 125-143). Köln, Luchterhand.

[3] Holte, H. (2021). Aggressionen im Straßenverkehr und Verkehrsklima. Die Polizei, 1, 10–17.

 

Weshalb ältere Menschen häufiger zu Fuß unterwegs sind

Es gibt gute Gründe, warum ältere Menschen häufiger zu Fuß unterwegs sind. Einer der wichtigsten ist der Spaß am Zufußgehen. Wer viel zu Fuß unterwegs ist, der hat auch große Freude daran, sich auf Schusters Rappen zu bewegen. Das zeigen die Ergebnisse einer neuen, noch nicht veröffentlichten Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen über ältere Fußgänger und Fußgängerinnen. Datengrundlage war eine Repräsentativbefragung von insgesamt 2.099 Personen im Alter ab 55 Jahren [1].

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Ältere Fußgänger und Fußgängerinnen: So wie sie leben, so gehen sie

Für ältere Autofahrer und -fahrerinnen in Deutschland konnten in den Jahren 2000 und 2018 Zusammenhänge zwischen dem Lebensstil, dem Mobilitätsverhalten sowie der Unfallgefährdung nachgewiesen werden. In einer neuen, noch nicht veröffentlichten Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) wurden diese Zusammenhänge für Fußgänger und Fußgängerinnen untersucht. Danach unterscheiden sich die Lebensstilgruppen nicht im Ausmaß der Unfallgefährdung, wohl aber in ihren Erwartungen, Einstellungen und Gewohnheiten, die mit dem Zufußgehen verbunden sind.

Wie in den vorangegangenen Studien der BASt wurde der Lebensstil von Seniorinnen und Senioren über die bevorzugten Freizeitaktivitäten, die Filmvorlieben, die Wohnungseinrichtung sowie die persönlichen Werthaltungen definiert. Datengrundlage war eine Repräsentativbefragung von insgesamt 2.099 Personen im Alter ab 55 Jahren [1]. Insgesamt wurden sechs Lebensstilgruppen ermittelt - der Anregungen suchende Typ (13,4 %), der ablehnende Typ (21,9 %), der sozial engagierte Typ (13,4 %), der kritische Typ (16,6 %), der häusliche Typ 1 (16,2 %) und der häusliche Typ 2 (18,5 %). Die Charakterisierungen dieser Lebensstilgruppen erfolgten bereits in einem Blog-Beitrag „Ältere Autofahrer: So wie sie leben, so fahren sie“ und können durch den entsprechenden Link im nachfolgenden Text aufgerufen werden.

Foto von Hardy Holte

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Wie Schimpansen eine Straße überqueren

Straßen sind in der Welt der Schimpansen nicht vorgesehen und doch gibt es sie, wie zum Beispiel im westafrikanischen Guinea oder im Kibale-Natioanlpark im Norden Ugandas. Dort kreuzen Fahrbahnen den Weg der Primaten, und deshalb müssen sie diese überqueren. Wie sie das an diesen zwei Orten anstellen, wurde von Wissenschaftlern untersucht. 

Wer schon einmal mit einem Auto durch den Krügerpark in Südafrika gefahren ist, der weiß, wie höllisch man darauf Acht geben muss, ob nicht plötzlich eine Antilope oder ein Warzenschwein aus dem Dickicht geschossen kommt. Schimpansen im Kibale Nationalpark verhalten sich beim Überqueren einer Asphalt-Straße ganz anders. Sie gehen mit großer Vorsicht vor, wie eine neue Studie zeigt [1]. Insgesamt 92 Prozent von insgesamt 122 überquerenden Schimpansen schauten zuvor nach links, rechts oder in beiden Richtungen. Diese Straße wird viel befahren, pro Stunde kommen dort etwa 89 Fahrzeuge mit einer Geschwindigkeit bis zu 100 km/h vorbei. Wie die Studie außerdem zeigt, ging das Alpha-Männchen beim Überqueren meistens voran (83 %). Im Vergleich dazu klettert das Alpha-Männchen lediglich in 51 Prozent der Fälle als erster auf einen Baum. Wie die Biologin Marie Cibot vom Muséum national d’histoire naturelle in Paris berichtete, hatten es 57 Prozent der Überquerenden eilig auf die andere Seite zu gelangen. Scheinbar wissen sie, an dieser Stelle könnte etwas Großes, Gefährliches mit hoher Geschwindigkeit vorbeirasen.

Dieses Video wurde von New Scientist bei Youtube hochgeladen. Im New Scientist wurde zu dieser Geschichte ebenfalls ein Beitrag veröffentlicht: siehe hier.

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